
Im Jänner und Februar 2022 machte ich mich auf ein neues Abenteuer. 6 Wochen Campen im Dschungel Costa Ricas. In einer Farm, die komplett abgeschottet auf der wunderschönen Osa Peninsula liegt. Da ich bereits im September 2021 auf einem 3-wöchigen Retreat auf der Farm lebte, wusste ich was auf mich zukommt. Die Farm ist sehr einfach gehalten und auf das Wesentlichste beschränkt. Der Strom wird durch Solarenergie betrieben und so kann es leicht sein, dass es an bewölkten Tagen ab 16 Uhr keinen Strom mehr gibt. Man wird hier mehr oder weniger gezwungen weg von dem Technologie- und Social Media-Alltag in einen Alltag wie Früher einzutauchen. Für mich ein echtes Erlebnis und pure Erholung, da es mich richtig traurig macht, wie abhängig wir mittlerweile von unseren Handys geworden sind. Auch die Wasserkapazität ist sehr beschränkt und wird in großen Kanistern vom Regen gesammelt. In der Trockenzeit also echt mal eine Herausforderung und es kann schon mal vorkommen, wenn viele Leute auf der Farm leben, dass das Wasser ausläuft. Das Regenwasser läuft durch einen Clay Filter um Trinkwasserqualität zu bekommen.
Die Farm ist nach einem nomadischen Community System mit wechselnden Saisonen aufgebaut. Durch den nomadischen Aspekt werden die Leute aufgefordert, die Farm nach allerspätestens 9 Monate zu verlassen. Die Meisten bleiben für eine Saison, die 3 Monate lang dauert. Es besteht auch die Möglichkeit ein kürzeres Commitment einzugehen, um die Farm kennenzulernen. Die Leute, die sich für 3 Monaten verpflichtet haben, gehören dem so genannten Core Team an und können sich eine der Säulen (Infrastruktur, Hospitality, Permaculture, Kitchen, …) aussuchen, wo sie eingelernt werden möchten. Diejenigen, die kürzer als 3 Monate bleiben, können in alle Bereiche reinschnuppern und die Core Member bei jeweiligen anfallenden Projekten unterstützen. Viele der Core Member kommen jährlich zurück, um eine der Säulen in einer beliebigen Saison zu leiten und neue Core Member auszubilden.

Ich habe mich für ein 6-wöchiges Commitment während der Event Saison (Dezember-Februar) entschieden. Dabei habe ich 600€ für Unterkunft und Verpflegung bezahlt und musste 25h an Arbeit leisten - wobei ich hier anmerken muss, dass es meistens weniger als 25h waren. Während den 6 Wochen fanden zwei Events statt: das Feel & Heal Retreat und das Metamorphosis Gathering. Dabei war ich dafür verantwortlich, dass die Farm wie zB das Yoga Deck sauber ist und, dass die Gäste ausreichend Essen bekommen. Hier habe ich also gelernt mit einem Team von bis zu 3 Leute für bis zu 40 Leute zu kochen – diese Zahlen haben für mich anfangs für eine echte Herausforderung und auch teils Überforderung gesorgt. Nach ein paar Schichten habe ich mich jedoch an die Masse des Essens gewöhnt und es hat auch echt Spaß gemacht die glücklichen Gesichter zu sehen. Grundsätzlich wurde nur vegan bzw. teilweise vegetarisch gekocht. Um immer up-to-date zu sein, gibt es jeden Morgen ein Sync-Up, wo besprochen wird, was an diesem Tag ansteht – hierbei wird auch kurz eingecheckt, wie es uns heute geht, sowie auf unsere Bedürfnisse, Bedenken und Gefühle eingegangen.

Wenn keine Events stattfinden, findet der „normale“ Community-Alltag statt. Jeden Montag gibt es um 14 Uhr ein Monday-Meeting, wo besprochen wird, was letzte Woche erledigt wurde und was diese Woche anfällt. Außerdem kann man selbst Projekte anbieten, wie zum Beispiel eine Yoga Stunde leiten, sein Wissen über ein bestimmtes Thema teilen, ein Bauprojekt leiten oder auf was auch immer man gerade Lust hat. Die Community legt großen Wert auf die Selbstverwirklichung der Volunteers. Da ich in dem gesamten Zeitraum leider noch immer mit einer sehr schmerzhaften Infektion an meinem Bein zu kämpfen hatte und ich noch immer sehr überfordert war von meinem Burn-Out, habe ich mich hier etwas rausgenommen. Auch im Community Alltag gibt es jeden Morgen um 8:30 Uhr ein Check-In, in dem man erfährt welche Aufgaben so anstehen. Am Mittwoch gibt es dann einen Transparency – Circle wo im Kreis jede*r für etwa 4 min teilen kann, was in ihm oder ihr gerade präsent ist. Auf das emotionale Wohl wird in dieser Community sehr viel Rücksicht genommen. Es gibt auch ein Relationship Team zu dem man gehen kann, wenn man irgendwelche emotionale Probleme hat und eine Person zum Reden braucht.

Koch- & Cleaningshiften sind für jeden Volunteer ein Muss. Bis auf Sonntag, der im Free-Flow gehandhabt wird, gibt es jeden Tag 3 Communal Meals. Sprich, je nachdem wieviele Leute gerade auf der Farm leben, kocht man bis zu 4 Mal in der Woche und bekommt täglich 3 Verpflegungen. Wer für die Meals verantwortlich ist, ist auf einer Tafel ersichtlich. Jede*r der auf der Farm ist bekommt eine Nummer und kann sich für seine oder ihre Lieblingsschicht eintragen. Auch die Projekte werden mit diesen Nummersystem vergeben. Falls sich niemand freiwillig meldet, was durchaus einmal vorkommt, wird man von den Core Members auf das Board geschrieben. Je nach Volunteer Vertrag ist man verpflichtet zwischen 10 und 25 Arbeitsstunden zu leisten.

Weiteres gibt es jeden Dienstag einen Trash-Tuesday. Einer meiner am meisten inspirierenden Tage, denn die Farm hat seit 7!!!! Jahren keinen Müll mehr weggeschmissen. Der Müll wird sortiert, gesammelt und weiterverarbeitet. Alles was nicht mehr brauchbar ist wird in Säcke zusammengestopft und anschließend zu „Bricks“ verarbeitet. Diese werden verwendet um Schalldämmungen oder sogar Häuser zu bauen. Für mich war es so schön zu sehen, wieviel Liebe die Farm in das Müllsystem steckt. In der Community Season, die von März bis Juni stattfindet, gibt es mehr Zeit um aus dem Müll Upcycling Art oder andere coole Projekte zu machen. Vor allem fand ich es sehr inspirierend, wie kreativ die Leute denken um den Müll weiter zu verarbeiten.


Zum Trash Tuesday gehört auch das Soil Sanctuary. Die Farm erzeugt mit dem Kompost und dem menschlichen Kot ihre eigene Erde für den Anbau von Gemüse und Obst. Der Prozess dauert ungefähr 1,5 Jahre. Grundsätzlich läuft das WC-System so, dass man sein kleines Geschäft überall auf der Farm erledigen kann. Wenn man mal auf die große Seite muss, gibt es Kompost Toiletten. Wenn das Fass zu 70% voll ist, wird es zugeschraubt, zur Soil Sanctuary gebracht und mit einem neuen Fass ersetzt. Im Soil Sanctuary steht es dann für ein Jahr bis es ausgeleert und getrocknet wird. Nach diesem Jahr wurde der Kot bereits zu Erde und ist komplett geruchsneutral. Für mich auf jeden Fall ein Gamechanger, da ich das zuvor noch nie so gesehen habe.
Grundsätzlich ist die Farm ein riesengroßer Spielplatz und die Besitzer*innen, legen sehr viel Wert auf persönliche Weiterentwicklung, Transparenz und Kommunikation. In der Farm wird Non-Violent Communication praktiziert. Sprich, wenn man in einem Konflikt mit jemanden gerät, versucht man immer in der Ich-Perspektive zu sprechen, ohne auf die andere Person loszugehen. Sollte es zu größeren Konflikten kommen, kann man jemanden aus dem Relationship Team bitten, das Gespräch als neutrale Person zu beobachten und zu analysieren. Für mich war es sehr schön zu sehen, dass ich gehört und gesehen werde. Ich bin generell ein sehr konfliktscheuer Mensch und schlucke Dinge lieber hinunter als sie anzusprechen. Vor allem liegt das an meiner großen Verlustangst, die ich im Kindheitsalter entwicklet habe, als mein Vater sehr überraschend seinen Körper verlassen hat. Die Erfahrungen an der Farm haben mir auf jeden Fall gezeigt, dass, wenn ich meine Probleme und Triggerpunkte anspreche, ich noch tiefere und ehrlichere Beziehungen führen kann, als wenn ich alles in mich hineinfresse. Es war auch richtig schön zu sehen, wie ein gesunder Konflikt ablaufen kann. Hierzu müssen natürlich beide Parteien soweit entwickelt sein, dass so eine Art von Konfliktauseinandersetzung möglich sein. Ich muss auch zugeben, dass es mir nach wie vor noch schwer fehlt, in den Konflikt zu gehen, aber ich habe auf jeden Fall schon einen großen Schritt in Richtung „Ich kommuniziere was mir nicht passt, wies mir wirklich geht und welche Grenzen ich habe“ gemacht, worüber ich richtig stolz bin.


Die 6 Wochen im Zelt waren richtig schön für mich! Auch wenn mir leider am dritten Tag meine Kreditkarten und mein Bargeld aus meinem Zelt gestohlen worden sind (Ich werde auch immer auf die Probe gestellt, wie stark meine Nerven sind ;)). Habe ich es richtig genossen, jeden Morgen neben dem Meer aufzuwachen, das Meeresrauschen zu hören, den Sonnenaufgang anzuschauen und mitten in der Natur zu sein. Vor einigen Jahren hätte ich mir nie vorgestellt, dass ich jemals für so eine lange Zeit im Zelt schlafen könnte. Ich war sehr luxusorientiert und selbst im 5-Sterne Hotel hab ich Sachen gefunden, die nicht meinen Hygienevorstellungen entsprachen. Mit jeder Reise und jeder Erfahrung finde ich mehr Zufriedenheit im Innen und die Umgebung im Außen ist nicht mehr so wichtig für mich. Mir reicht ein Dach über den Kopf und das allerwichtigste sind mir wahre und echte Beziehungen. Leider wurde ich auch ein paar Mal vom Regen überrascht, welcher mein ganzen Zelt überflutet hat. Da ich sehr schnell aus meinen Fehlern lerne, konnte ich beim zweiten Regen mein Zelt schnell genug evakuieren und habe die Nacht am Yoga-Deck verbracht.
Natürlich gibt es auch immer Down-Sides, die ich dir nicht vorenthalten will. Was mich ein bisschen gestört hat ist, dass die Struktur der Farm manchmal ein wenig chaotisch ist. Die Besprechungen werden teilweise sehr lang, weil jede*r nur so übersprudelt vor Ideen, es kann jedoch Wochen dauern, bis tatsächlich etwas davon umgesetzt wird. Manchmal findet die Umsetzung dann auch gar nicht statt. Durch die sehr tiefen emotionalen Prozesse, durch die die Leute gehen, fehlt oft Mal Energie für handwerkliche Tätigkeiten, da oftmals stundenlang reflektiert wird. Dadurch, dass der Boden leider sehr trocken ist und das Wasser oft sehr knapp ist, ist es sehr schwierig Obst und Gemüse anzubauen, um die Farm selbsterhaltend zu machen. Der Permaculture Aspekt geht hier also etwas verloren. Außerdem waren es mir persönlich oft zu viele Leute an der Farm. Da ich sehr viel Zeit für mich selbst brauche um meine Energieakkus wieder aufzuladen und mein einziger Rückzugsort ein kochend heißes Zelt war, blieb oft zu wenig Zeit um mich zu rechargen. Nach 6 Wochen habe ich mich also schon richtig auf "Alone-Time" gefreut. Generell ist dies ein großes Aspekt auf Reisen der mir oft Mal zu viel wird. Ich werde in einem weiteren Blogbeitrag über meine Erfahrungen von Solo-Reisen erzählen und warum man trotz alleine reisen nie alleine ist.
Trotz der Down-Sides war das Leben in Finca Morpho auf jeden Fall lebensverändernd für mich und ich kann die Erfahrung aus vollstem Herzen empfehlen. Neben lebenslangen Freundschaften habe ich noch mehr über mich selbst erfahren und ich bin dankbar für den Raum, das Land und die Natur die Finca Morpho bietet.

Falls du Interesse an einem Community Leben bekommen hast, kann ich dir sehr gerne weitere Informationen zukommen lassen und dir gegebenfalls auch die Kontaktdaten der Ansprechpersonen weiterleiten.
Gerne kannst du auch auf der Website von Finca Morpho vorbeischauen:
Deine Kerstin 🌼
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